Bei Befall mit saugenden und beißenden Insekten in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und im Gartenbau werden Insektizide als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Schädlinge wie Blattläuse, Käfer und Raupen werden durch Insektizide bekämpft, um Ertrags- oder Qualitätsschäden zu verhindern.
Insektizide sind Stoffe, die zur Abtötung von Insekten verwendet werden. Insektizide werden in unter anderem in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und im Gartenbau als Pflanzenschutzmittel eingesetzt, um dort Insekten wie Blattläuse, Käfer und Raupen zu bekämpfen um Ertrags- oder Qualitätsschäden zu verhindern.
Einteilung insektizider Wirkstoffe
Je nach der Art ihrer Einwirkung unterscheiden wir zwischen Fraß-, Atem- und Kontaktgiften. Während die Insekten die Fraßgifte aktiv mit der Nahrung aufnehmen, gelangen die Atemgifte in Dampfform über die Stigmen (Atemöffnungen), die Kontaktgifte nach dem Kontakt der Schädlinge mit den Wirkstoffen vor allem über die Intersegmentalhäute, Antennen, Tarsen (Füsse) und Rüssel in den Insektenkörper.
Eine andere Möglichkeit die Insektizide einzuteilen ist nach ihrem chemischen Aufbau. Wir unterscheiden danach folgende Wirkstoffgruppen, die heute noch mehr oder weniger im Einsatz sind: Chlorierte Kohlenwasserstoffe, Insektizide pflanzlicher Herkunft und synthetische Analoga, Organophosphorverbindungen, Carbamate, Chloronicotinyle, Benzoylharnstoffe sowie Öle und Seifen.
Bezüglich des Wirkmechanismus unterscheidet man vor allem Nervengifte, Energieblocker, sowie Wachstumsregulatoren und Häutungshemmer.
Viele der eingesetzten insektiziden Wirkstoffe beeinflussen die Übertragung von Informationen im Nervensystem. Nervengifte können in unterschiedlicher Weise in den oben beschrieben Prozess der Reizübertragung eingreifen. Im Folgenden sind die wichtigsten Wirkorte und Mechanismen beschrieben.
Insektizide, die auf die spannungsabhängigen Natrium-Kanäle in den Nervenzellen wirken:
Die Änderung der Leitfähigkeit spannungsabhängiger Na+-Kanäle, wie sie in den Nervenzellen vorkommen, ist entscheidend für die Entstehung von Aktionspotentialen. Dort greifen auch zahlreiche Insektizide an. Pyrethrum, Pyrethroide, DDT (aus der Gruppe der chlorierter Kohlenwasserstoffe) und seine Analoge und Dihydropyrazole wirken auf diese spannungsabhängigen Na+-Kanäle. Diese Insektizide reagieren direkt mit diesen Na+-Kanälen und beeinflussen so die Leitfähigkeit dieser Kanäle. Die Na+-Kanäle öffnen sich für einen längeren Zeitraum, was zu einem vermehrten Fluss von Na+-Ionen und damit zu einer Erhöhung (Depolarisation) des Membranpotentials der Nervenzellen und leichteren Erregbarkeit der Nervenzellen führt. Dadurch kommt es zu einer Dauererregung (Hyperaktivität) der betroffenen Nervenzellen, gefolgt von Krämpfen, Lähmungserscheinungenund schließlich dem Tod.
Chlorierte Kohlenwasserstoffe
Chlorierte Kohlenwasserstoffe (Lindan, DDT,etc) zeichnen sich durch eine hohe chemische Stabilität und ausgeprägte Persistenz aus und spielen in Deutschland aus toxikologischen und umweltrelevanten Gründen heute fast keine große Rolle mehr. Daher soll nur sehr kurz auf diese Stoffgruppe eingegangen werden. Die genauen Wirkmechanismen sind unbekannt. DDT wirkt auf die oben beschrieben Na+-Kanäle, Lindan scheint auf den –Aminiobuttersäure (GABA) Rezeptor und damit auf die Cl--Kanäle zu wirken.
Pyrethrum (Pyrethrine)
Pyrethrum wird aus Blüten von Chrysanthemum-Arten gewonnen. Es handelt sich umein Gemisch aus sechs verschiedenen Estern, der Hauptbestandteil ist das Pyrethrin I. Pyrethrum ist ein Kontaktgift wobei bei den Insekten vor allem die Stigmen (Atemöffnungen) und Gelenkpolster als Eintrittspforten dienen. Die enzymatische Entgiftung der Verbindung im Insekt erfolgt sehr schnell. Die meisten Präparate auf Pyrethrum-Basis werden daher zusammen mit Piperonylbutoxid ausgebracht, das den Abbau des Pyrethrums hemmt und dadurch eine Wirkungssteigerung hervorruft. Pyrethrum wirkt auf die spannungsabhängigen Na+-Kanäle.
Pyrethroide:
Synthetische Analoga der natürlich vorkommenden Pyrethrine. Die Pyrethroide gehören mit zu den wirksamsten Insektiziden. Um die Nachteile von Pyrethrum (zum Teil geringe Lichtstabilität und die hohen Produktionskosten) auszuschalten, wurde die natürlichen Pyrethroide chemisch abgewandelt und eine Reihe von synthetischen Analoga hergestellt, die Pyretroide. Dabei handelt es sich um Kontakt- und Fraßgifte. Eine Atemgiftwirkung besteht wegen des geringen Dampfdruckes nicht.
Pyrethroide besitzen ein identisches Grundgerüst. Man unterscheidet bei den Pyrethroiden zwei Typen. Einige Pyrethroide (Typ I) besitzen keine Alpha- Cyanogruppe (-C N), bei einer weiteren Gruppe wurde chemische eine Cyano-Gruppe in das Grundgerüst eingebaut (Typ II). Dies ist wichtig, um sowohl die Wirkungsweisen als auch die unterschiedlichen Vergiftungserscheinungen verstehen zu können. Durch den Einbau der Cyanogruppe -C N wurde die Wirkungsweise der Pyrethroide verstärkt.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Pyrethroide von Typ I bei vergifteten Tieren die so genannten T-Syndrom auslösen (T=Tremor) das sich durch Erschöpfung und verändertem Schreckreflex zeigt.
Pyrethroide vom Type II (mit Alpha-Cyano-Gruppe) verursachen das so genannte CS-Syndrom mit Koordinationsstörungen, Krämpfen, Hyperaktivität und übermäßigen Speichelfluss (choreoathetosis= eine Bewegungsunruhe in Form serienweise auftretender zuckender und bizarr geschraubter Bewegungen und salivation=Speichelfluss).
Diese Beobachtungen gehen einher mit den unterschiedlichen Wirkmechanismen der beiden Pyrethroid Typen. Aber es gibt aber auch Überlappungen Typ I Pyrethoide (z.B. Permethrin und Resmethrin) bewirken, dass die Leitfähigkeit (Öffnung der spannungsabhängigen Na+-Kanäle nur relativ kurz verlängert wird. Pyrethroide vom Type II (z.B. Deltamethrin) öffnen diese Kanäle wesentlich länger und scheinen auch die Leitfähigkeit der Cl--Kanäle zu beinflussen.
Insektizide, die auf die Chlorid-Kanäle in den Nervenzellen wirken:
Die Chlorid-Kanäle können sowohl blokkiert werden (d.h. kein Fluss von Chlorid-Ionen), oder auch stimuliert werden (verstärkter Fluss von Chlorid-Ionen). Sie werden häufig durch GABA aktiviert. Zur ersten Gruppe gehören die Phenylpyrazole (z.B. Fipronil) und Cyclodiene/ Polychlorocycloalkane (z.B. Lindan). Sie bewirken, dass das „normale“ Ruhepotential von Nervenzellen nicht wieder hergestellt werden kann und in Folge kommt es zu einer Dauererregung der nachgeschalteten Nerven und Muskelzellen. Zur zweiten Gruppe gehört z.B. Abamectin, ein Stoffwechselprodukt des Pilzes Streptomyces avermitilis. Abamectin bewirkte eine erhöhten Durchlässigkeit für Cl--Ionen. Der verstärkte Fluss von Cl--Ionen führt dazu, dass das „normale“ Membranpotential herabgesetzt wird (Hyperpolarisation), so dass in Folge die Schwelle, die zur Auslösung eines Aktionspotentials erreicht werden muss, nicht mehr erreicht wird. Dadurch können keine Signale/Informationen mehr von Zelle zu Zelle übertragen werden.
Auch Pyrethroide des Typs II (mit Alpha-Cyanogruppe, z.B. Deltamethrin und Cypermethrin), scheinen auf Chlorid-Kanäle (bzw., GABA Rezeptoren) zu wirken (Verminderung der Aktivität), nicht jedoch Pyrethroide vom Typ I (ohne Alpha Cyanogruppe (z.B. Resmethrin und Permethrin).
Insektizide die auf Acetylcholinesterase (an den Synapsen) wirken:
Acetylcholin ist ein wichtiger Transmitter, der bei der Reizübertragung zwischen verschiedenen Nervenzellen und zwischen Nervenzellen und Muskelzellen eine bedeutende Rolle spielt. Freisetzung von Acetylcholin führt zu einer kurzzeitigen Öffnung von Na+-Kanälen auf der postsynaptischen Seite (bei der nachgeschalteten Zelle). Dies führt bei nachgeschalteten Nervenzellen zu einer Erregung oder im Falle von Muskelzellen zu einer Kontraktion. Einige Insektizide greifen an dieser Stelle an, indem sie den normalerweise schnell stattfindenden Abbau des Actylcholins durch das Enzym Acetlycholinesterase verhindern. Acetylcholin bleibt länger aktiv. Infolge bleiben auch die Na+-Kanäle länger geöffnet und es kommt zu einer „Dauerreregung“ der nachgeschateten Zellen. Diesen Wirkmechanismus weisen die Organophosphate und die Carbamate auf Organophosphate/Organophosphorverbindungen.
Phosphorsäureester
Die Organophosphate sind in erster Linie Fraß- und Kontaktgifte. Stoffe mit hohem Dampfdruck haben außerdem eine Atemgiftwirkung (z.B. Dichlorvos). Die Wirkung der Insektizide auf die Schädlinge beruht primär auf einer Hemmung der Cholinesterase. Obwohl nach diesen Erkenntnissen Zusammenhänge zwischen Cholinesterasehemmung und Schädigung der Insekten wahrscheinlich sind, ist die unmittelbare Ursache ihres Todes noch unbekannt. Da Atropin als Gegengift bei Insekten nicht wirkt, ist zu vermuten, dass noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Die Wirkung der Organophosphorverbindungen auf Warmblüter beruht ebenfalls auf einer Inaktivierung der Cholinesterase. Die starke biologische Wirksamkeit der Organophosphorverbindungen ist darauf zurückzuführen, dass:
die Cholinesterase meist irreversibel gehemmt wird;
die Cholinesterase nur in geringen Mengen vorhanden ist;
das Enzym im Organismus sehr langsam neu gebildet wird.
Carbamate
Die meisten Insektizide dieser Gruppe sind Kontakt- und Fraßgifte, die cholinesterasehemmenden Eigenschaften besitzen. Die Hemmung des Enzyms funktioniert auf die gleiche Weise wie bei den Organophosphaten. Die Inhibierung der Cholinesterase ist jedoch wahrscheinlich nicht die die einzige Ursache der Giftwirkung. Vergiftungen bei Menschen und Warmblütern durch Carbamate sind ebenfalls auf eine Blockierung der Cholinesterase zurückzuführen. Im Gegensatz zu den Organophosphaten wird das durch Carbamate inaktivierte Enzym jedoch relativ schnell wieder reaktiviert. Die Therapie bei Vergiftungen erfolgt ausschließlich mit Atropin, um dem schädlichen Überschuss an Acetylcholin entgegenzuwirken.
Insektizide die auf Na+-Rezeptoren auf der postsynaptischen Seite wirken
Chloronicotinyle (z.B. Thiacloprid)
Bei diesem Wirkstoffe handelt sich um ein Fraß- und Kontaktgift. Die Wirkung von Thiacloprid kommt dadurch zustande, dass es mit den Acetycholin-Rezeptoren auf der postsynaptischen Seite reagiert und damit eine Anlagerung des Transmitters Acetycholin verhindert. Dadurch wird ebenfalls die Reizleitung blockiert.
Energieblocker
Hydramethylnon gehört zu der Gruppe der Aminohydrazone. Es wirkt, im Gegensatz zu allen bisher besprochenen Insektiziden, nicht auf die Nervenzellen, sondern beeinflusst die Energieproduktion in den Zellen. In den Mitochondrien den Energiezentralen aller Zellen wird ATP (Adenosinetriphosphate), ein universeller Energiespender in allen biologischen Systemen produziert. Hydramethylnon verhindert die Produktion von ATP in den Mitochondrien. Ohne ATP kommt es zum Erliegen aller Zellprozesse und zum Tode der Insekten.
Insektenwachstumsregulatoren (IGR)
Juvenilhormone, Häutungshormon und Häutungshemmer Diese Produkte fungieren als Larvizide. Sie wirken nicht auf das Nervensystem der Insekten, sondern die IGR beeinflussen bestimmte biochemische Wachstumsprozesse der Insekten wie z.B. die Larven- und Puppenhäutung sowie den Übergang von verschiedenen Entwicklungsstadien Durch Ausbringung der Häutungs- bzw. Juvenilhormone wird in den natürlichen Regelprozess eingegriffen. In Abhängigkeit vom Entwicklungsstatus der Insekten kommt es zu einer größeren Zahl von Larvenstadien (oft mit Entwicklungsstörungen) oder zu einer abnormalen Verpuppung (teilweise noch Larve, teilweise schon Puppe). Diese Stadien sind nicht lebensfähig.
Chitinsynthese-Hemmer:
Im Laufe ihre Entwicklung müssen Insekten mehrfach ihr Exoskelett (ihre Chitinhülle) wechseln. Dazu muss neues Chitin in der Zelle hergestellt werden, wozu eine Reihe von Enzymen (z.B. Chitinasen, Proteasen etc) notwendig sind. Chitinsynthese-Hemmer beeinträchtigen die Ausbildung der Endokutikula durch Störung des Chitinaufbaus. Wahrscheinlich wird die für die Polykondensation des Chitins verantwortliche Chitinsynthase und/oder die Chitinase, die den Abbau des Chitins katalysiert, blockiert. Die Insektenlarven verhalten sich nach der Wirkstoffaufnahme zunächst normal. Erst bei der folgenden Häutung platzt die neu gebildete Kutikula auf, in die kein Chitin eingelagert war und die dadurch ihre Stabilität verloren hat. Das erste Larvenstadium reagiert besonders empfindlich.
Quelle: Dr. Gerhard Karg: Wissen Sie, wie Insektizide wirken? In: Der praktische Schädlingsbekämpfer, Ausgabe 2/05, Seiten 2-5